Journalismus und Werbung werden wohl nie beste Freunde werden, dabei könnte er viel von ihr lernen – unter anderem diese zehn Tricks, die auch beim Storytelling für Aufmerksamkeit sorgen.

 

Trick 1: Personifikation

Nichts interessiert den Menschen so sehr wie der Mensch. Das ist eines der Geheimnisse guten Storytellings. Aber was, bitte schön, soll eine Hundertschaft römischer Soldaten auf einer Bürste? Ein gutes Bild abgeben – nämlich für die Borsten, die mit ihrer speziellen Anordnung und Schutzschildfunktion einen schnellen Erfolg im Kampf gegen widerspenstiges Haar versprechen, ohne es zu verletzen. Denn Personifikation ist ein guter Trick, um komplexe Sachverhalte leicht verständlich zu machen. Das gilt im Journalismus ebenso wie für diese Werbung der brasilianischen Agentur OpusMúltipla für Condor.

 

Trick 2: Perspektivwechsel

Dinge aus dem immer gleichen Blickwinkel zu betrachten, langweilt so sehr, dass die Aufmerksamkeit einschläft. Ergebnis: Schnarchtexte, Schnarchbilder, Schnarchdesign. Ein Perspektivwechsel rüttelt wach. Augen auf, hier kommt eine spannende Botschaft! Bei dieser Anzeige der Miami Ad School Europe, Hamburg, lautet sie: Farbe von Alpina tropft nicht.

 

Trick 3: Konsequenzen aufzeigen

Die Zeiten, in denen uns News zuerst über das Fernsehen oder gar die Tageszeitung erreicht haben, sind vorbei. In klassischen Medien hat die Nachricht entsprechend an Wert verloren. Indem Journalismus weniger auf die Nachricht selbst abstellt als auf deren Folgen, kann er dieser Inflation entgegenwirken. »Themen weiterdenken« lautet die Devise. Diese Anzeige der Agentur Gode aus Istanbul für die Kosmetikmarke Pastel zeigt, wie das aussehen kann: Dass Mascara die Wimpern verlängert, muss einem niemand mehr vor Augen führen. Dass man in der Konsequenz Sonnenbrillen mit XXL-Bügeln braucht, hat zuvor wohl noch niemand bedacht. Das kommt neu daher. Das schafft Aufmerksamkeit.

 

Trick 4: Kontraste schaffen

Top, Flop, heiß und kalt, gut und böse … Gegensätze sind die Leitplanken unseres Lebens. Sie schaffen Orientierung – auch in Texten. Mit bewusst gesetzten Kontrasten sieht man vieles klarer. Zum Beispiel den Unterschied zwischen Impressionismus und Hyperrealismus, mit dem das Anzeigenmotiv von Y&R, Paris, für KelOptic spielt.

 

Trick 5: Brücken bauen

Apropos van Gogh: Dass ein Bild mehr sagt als tausend Worte, bezweifelt guter Journalismus. Weil guter Journalismus an sich schon kritisch ist. Selbst Sprachbildern gegenüber. Lieber denkt und formuliert er neu, bevor er in der Gästetoilette das Bild der tausend Worte neben van Goghs Sonnenblumen abhängt und es seinem Publikum präsentiert. Gerne baut er dafür Brücken, zieht Vergleiche und spielt mit Assoziationen. So ist zwar selten mehr gesagt, dafür aber eleganter kommuniziert. Sprich: Guter Journalismus darf sich ruhig ein Vorbild nehmen – daran, wie Leo Burnett, Schweiz, hier einen van Gogh für Samsung inszeniert.

 

Trick 6: Die Zielgruppe nicht vergessen

Und wie wirbt man für Männerunterwäsche? Genau wie man Männer mit Journalismus begeistert – man holt sie in ihrer Lebenswelt ab. Und wenn zu der Lebenswelt der Zielgruppe Jeans, E-Gitarre und Kicker gehören, dann sieht das eben so aus wie in der Werbung von Havas Worldwide, Prag, für Styx Underwear.

 

Trick 7: Humor beweisen

Kann man wie Grey, London, für Haftcreme werben, ohne dritte Zähne zu zeigen? Darf man als Rentner einen Knutschfleck haben? Und warum grinsen die beiden hier so zufrieden? Behaupten wir mal, weil ein kleines Augenzwinkern und ein bisschen Humor über dem Niveau von Schenkeln, auf die geklatscht wird, einfach guttun. Bei Anzeigen. Und im Journalismus vor allem bei Headlines. Wie wäre es hierfür mit »Bis(s) zum Morgengrauen« als Titel?

 

Trick 8: Wortwitz

Eine besondere Form von Humor ist der Wortwitz, ebenfalls beliebt für Headlines. Ebenfalls wichtig: Niveau. Das beweist Jung von Matt, Stuttgart, hier für Mercedes-Benz.

 

Trick 9: Die Vorzüge der Mediengattung nutzen

Was wirkt besser: Print, Online, Radio, TV? Nicht der Kanal entscheidet über die Qualität von Anzeigen oder Journalismus. Wichtig ist es, die besonderen Eigenheiten und Möglichkeiten jedes Mediums auszunutzen und auszuspielen. Der Agentur WAX aus Calgary ist das mit Plakaten für Wurst-Oktoberfestbier gut gelungen.

 

Trick 10: Regeln auch mal missachten

»Finger weg von Logos!« lautet ein ehernes Werbergesetz. DDB Mudra, Indien, schert sich nicht darum, montiert kleine Autos ins VW-Markenzeichen und lässt sie für die Xenon-Scheinwerfer, die Berganfahrhilfe und das Abstandswarnsystem des Herstellers werben. Wer Regeln beherrscht, darf sie auch mal brechen – in der Werbung wie im Journalismus.



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